Rez.: Ortsnamen. Jahrespreise 2010, 2011, 2015, 2019 und 2020 der „Henning-Kaufmann-Stiftung“

Ortsnamen. Jahrespreise 2010, 2011, 2015, 2019 und 2020 der „Henning-Kaufmann-Stiftung zur Förderung der deutschen Namenforschung auf sprachwissenschaftlicher Grundlage“. Hrsg. von Kirstin Casemir, Dieter Geuenich und Wolf-Armin Frhr. von Reitzenstein (Deutsche Namenforschung auf sprachgeschichtlicher Grundlage, Band 4) Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag 2021, 196 Seiten. – ISBN: 978-3-487-16025-2, Preis EUR 39,80 (DE)

Rezensiert von Albrecht Greule, Regensburg

Der Band ist Friedhelm Debus, dem langjährigen Betreuer und Schriftführer der 1976 gegründeten „Henning-Kaufmann-Stiftung“ zum 90. Geburtstag gewidmet. Aus dem Vorwort erfährt man, dass Friedhelm Debus das Amt des Schriftführers in für die Stiftung „schwieriger Zeit“ (an Dieter Geuenich) übergeben habe. Ausführungen, worin die „Schwierigkeiten“ begründet sind, erfährt man aus der auf den Seiten 101–103 des vorliegenden Buches abgedruckten Begrüßung von Friedhelm Debus anlässlich der Preisverleihung am 11.9.2019 in Münster. Darüber hinaus werden im Anhang die Namen der 65 Preisträgerinnen und Preisträger der Stiftung verzeichnet.

Man liest die Fülle der Informationen, die in dem Buch zusammengefasst sind, am besten vor zwei Horizonten: einmal als wissenschaftsgeschichtliche Dokumentation der Höhepunkte, Erfolge und (finanziellen) Nöte der Henning-Kaufmann-Stiftung; das andere Mal unter dem Aspekt der die Ortsnamenforschung bereichernden und dem Stiftungsziel entsprechenden Vorträge von den jeweils geehrten Namenforscherinnen und Namenforschern. 2010 wurde Peter Anreiter der Preis in Innsbruck verliehen. Er kam dabei mit einem wegweisenden Vortrag unter dem Titel „Kriterien für die Identifikation von keltischen Namen“ (S. 27–49) zu Wort und zog das Fazit, dass für alle, die Namen als keltisch identifizieren wollen, die „innere keltische Verankerung“ die conditio sine qua non ist. 2011 wurde Horst Naumann († 2015) mit dem Preis der Kaufmann-Stiftung geehrt. Er referierte anlässlich der Ehrung in Grimma über das „Slawisch-deutsche Zusammenleben im Spiegel der Eigennamen Ostmitteldeutschlands“ (S. 59–66) und wies an den Siedlungsnamen im kleinen Areal des Grimmaer Raums am Ostrand des Merseburger Bannwalds nach, dass es gute, unterschiedliche Beispiele für das einstige slawisch-deutsche Zusammenleben gibt. Einen wiederum methodenbezogenen Ansatz verfolgte der Vortrag von Dorothea Fastnacht, die 2015 den Stiftungs-Preis erhielt. Dem Ort der Ehrung entsprechend zog die Geehrte unter dem Titel „Methoden der Ortsnamenforschung mit Beispielen aus dem Historischen Ortsnamenbuch Erlangen“ (S. 81–97) weitreichende, auch sprachgeographische Schlüsse aus ihrer umfänglichen Arbeit zur Geschichte der Ortsnamen des Landkreises Erlangen. Eine ganz andere Landschaft, nämlich Westfalen, wurde mit der Preisverleihung an Kirstin Casemir 2019 in Münster in den Blickpunkt gerückt. Aus der längjährigen Beschäftigung der Preisträgerin mit den Namen des ost- und westfälischen Raumes resultierte ihr Festvortrag mit dem Titel „Volkssprache versus Lingua franca oder wie die Wahl der Sprache der Anthroponyme und die mit ihnen gebildeten Toponyme beeinflusst (S. 117–144). Auf der Grundlage der umfänglichen Erforschung der ostfälischen Ortsnamen teilt sie die Erkenntnis mit, dass sich das Verhältnis von Kurznamen zu (bithematischen) Vollformen von Personennamen in Ortsnamen aus der primären Kommunikationsart (mündlich oder schriftlich), der dabei gewählten Sprache (Niederdeutsch oder Latein) und dem Grad der Verbindlichkeit begründen lässt. Noch einmal in Franken sollte die Preisverleihung im November des Pandemie-Jahres 2020 die Freunde der Namenforschung vereinen. Doch die Übergabe des Preises an Rosa und Volker Kohlheim musste zur Zeit des schlimmsten Lockdowns im kleinsten privaten Kreis stattfinden. Der von der Preisträgerin und dem Preisträger vorbereitete Vortrag wird im vorliegenden Buch (S. 159–187) nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Er steht unter dem Titel „Von Kuhschnappel nach Baireuth und darüber hinaus. Jean Pauls fränkisch-sächsische Ortsnamen“ und ist ein seltenes Beispiel der literarischen Toponomastik. Die Ausführungen gipfeln in der Erkenntnis, dass der Schriftsteller die Illusion von Raum und Bewegung im Raum zwar durch Namen erzeugt; doch müssen die Ortsnamen nicht ein Gegenstück in der Realität haben, die namentlich genannten Orte können, wie in Jean Pauls Romanen, auch ganz anderswo als in der Realität liegen.

Außer den Reden der Preisträgerinnen und Preisträger dokumentiert der vorliegende Band die Programme der fünf Preisverleihungen sowie alle dabei gehaltenen Begrüßungen, Grußworte, Laudationes, Kurzvorträge, Schlussworte samt einem Toast. Man könnte es bei der Aufzählung der protokollarischen Reden belassen, wenn in den Laudationes nicht da und dort auch wissenschaftliche Erkenntnisse mitgeteilt würden. So sind zum Beispiel die Laudatio auf Peter Anreiter angereichert durch die Auflistung bayerisch-tirolischer Namenbeziehungen und die Laudatio auf Dorothea Fastnacht (S. 71–80) durch einen Blick auf die lange Beschäftigung mit den Ortsnamen in Franken; in beiden Fällen war Wolf-Armin Frhr. von Reitzenstein der Laudator. Um in der Fülle der Informationen, die die Schrift insgesamt bietet, unter den darin behandelten Ortsnamen jenen zu finden, der einen interessiert, leistet am Schluss das Verzeichnis gute Dienste.

Empfohlene Zitierweise

Albrecht Greule: [Rezension zu] Ortsnamen, in: Onomastikblog [31.01.2023], URL: https://www.onomastikblog.de/rez-ortsnamen

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