Rez.: Dieter Greve, Flurnamenatlas für das südliche Westmecklenburg.

Dieter Greve, Flurnamenatlas für das südliche Westmecklenburg, Bd. I bis VI. Schwerin: Thomas Helms Verlag 2011.

Rezensiert von Barbara Aehnlich

Band I: Stadt Boizenburg, Dörfer des Amtes Boizenburg-Land. Erster Teil. 208 S. – ISBN: 978-3-940207-25-8, Preis: EUR 20,80.
Band II: Dörfer des Amtes Boizenburg-Land. Zweiter Teil. 312 S. – ISBN: 978-3-940207-26-5, Preis: EUR 28,80.
Band III: Gemeinde Vellahn und das Dorf Langenheide. 168 S. – ISBN: 978-3-940207-27-2, Preis: EUR 18,80.
Band IV: Amt und Stadt Zarrentin (ohne die Gemeinde Vellahn). 222 S. – ISBN: 978-3-940207-28-9, Preis: EUR 22,80.
Band V: Stadt und Amt Wittenburg. 240 S. – ISBN: 978-3-940207-29-6, Preis: 24,80.
Band VI: Amt Stralendorf und Gemeinde Sülstorf. 208 S. – ISBN: 978-3-940207-30-2, Preis: 20,80.

Der von Dieter Greve vorgelegte Flurnamenatlas für das südliche Westmecklenburg aus dem Jahr 2011 umfasst insgesamt sechs Bände, in denen die Flurnamen von 133 Gemarkungen vorgestellt werden. Band I umfasst 14 Orte, wobei es mit Boizenburg den umfangreichsten Bestand der Reihe enthält. Die anderen Bände sind folgendermaßen aufgeteilt: Band II: 28 Orte, Band III: 17 Orte, Band IV: 24 Orte, Band V: 26 Orte und Band VI: 24 Orte.

Greve bearbeitet in diesen Bänden eine eindrucksvolle Melange aus niederdeutschen, hochdeutschen und slawischen Flurnamen. Alle Bücher sind gleich aufgebaut, wobei die einleitenden Kapitel identisch sind. Der Autor startet mit einigen Vorbemerkungen zur Flurnamenlandschaft Westmecklenburgs und seiner Arbeitsweise. Eine Übersicht der Sammlungen und Recherchen findet sich hier ebenfalls. Das Kapitel „Zur Etymologie der Flurnamen“ gliedert ausgewählte Namen des Untersuchungsgebiets nach ihren Benennungsmotiven. So gehören in den Bereich der Morphologie die aufgeführten Bezeichnungen für Flach- und Hügelland – Greve nennt beispielsweise die Namen(-Bestandteile) Vossbarg, Horst, Hövel, Grund und Wendhörn (Bd. I, S. 13). Als Beispiele für Gewässernamen führt er unter anderem Born, Bäk, Beke oder Quöbbe auf (Bd. I, S. 14f.), ehe er zu Namen kommt, die auf einen Bewuchs mit Heide oder Gehölz verweisen. Auf die frühere Nutzung des Landes beziehen sich Benennungen wie Huskoppel, Brinke, Kamp oder Koppel (Bd. I, S. 17), wogegen Namen wie Kirchenkoppel oder Pfaffenfeld auf kirchlichen Besitz verweisen (Bd. I, S. 18). Interessant sind auch die Spott- oder Ökelnamen, die Greve aufführt: u.a. Pisack, Flöhbarg und Riet ut (Bd. I, S. 19). Anderen geografischen Orten nachempfunden sind Namen wie Kamerun, Amerika oder Sibirien (Bd. I, S. 19f.). Ein weiteres Unterkapitel zur Etymologie führt ausgefallene Namen auf, beispielsweise Muultrommel oder Die kleine Wohlfahrt. Auch eine Reihe auf wüstgefallene Orte hinweisender Flurnamen führt der Autor auf, ebenso nur mündlich gebrauchte Benennungen. Zuletzt nennt er Mühlen- und Hüttennamen wie Bolten Mühle, Mühlen-Wiese, Mühlenberg oder Alte Hütte sowie Namen, die sich auf historische Burganlagen beziehen (Bd. I, S. 25–27).

Anschließend an das etymologische Kapitel stehen eine Übersicht der verwendeten Literatur sowie ein Abkürzungsverzeichnis, ehe der spezielle Teil folgt, in welchem die Flurnamen in ihren historischen Gemarkungen vorgestellt werden. Die kartographische Darstellung erfolgt mithilfe der Messtischblätter, da sie die kleinflächige Struktur der Feldmarken besser widerspiegeln als aktuelle topografische Karten (Bd. I, S. 12). Außerdem werden die verwendeten Karten sowie die Gewährspersonen angegeben. Zu jeder Gemarkung gibt es eine kurze Beschreibung, die auch Bemerkungen zum Ortsnamen umfasst. Am Ende jedes Bandes finden sich jeweils ein auf diesen angepasstes Flurnamenregister, ein Nachwort und Anmerkungen zum Autor – die beiden letzten Kapitel sind wiederum in allen Bänden identisch.

Band I weicht in seinem Inhalt leicht von den anderen Bänden ab, da Greve für die westlichste Stadt Mecklenburgs – Boizenburg – auch die Straßennamen verzeichnet, weil sie sich oftmals auf ehemalige Flurnamen beziehen. So weist er niederdeutsches Namengut auch in den Benennungen von Verkehrswegen nach (bspw. Quöbbe, S. 35, Toitenwinkel, S. 45, Twiete, S. 46, Wendhörn, S. 46), außerdem slawische Bezeichnungen (z.B. Metlitzhof, S. 42), und zeichnet aktuellere Entwicklungen aus DDR-Zeiten nach (u.a. Bahnhofstraße < Wilhelm-Pieck-Straße, S. 36, Breitscheidstraße < Julius-Schreck-Straße und Litzmannstraße bzw. 4. Gasse, S. 36f., Baustraße < Straße der Solidarität, S. 36). Politisch motivierte Umbenennungen spielen etwa bei der Hans-Jürgen-P.-Lemm-Straße (< Ernst-Thälmann-Straße < Adolf-Hitler-Straße, S. 40) eine Rolle. Auch an Richard Carl Theodor August Wossidlo, Mitbegründer der mecklenburgischen Volkskunde und bedeutender Dokumentator des Niederdeutschen, wurde bei der Vergabe der Straßennamen ehrend gedacht (S. 47).

Die vorliegende sechsbändige Sammlung gibt in ihren ortsspezifischen Teilen den Leserinnen und Lesern die Möglichkeit, tief in die reichhaltige Natur- und Kulturlandschaft Mecklenburgs einzutauchen, mehr über das Zusammenleben der Menschen – auch verschiedener Herkunft – zu erfahren und historische Entwicklungen der Region nachzuvollziehen. So enthalten Flurnamen wie Mergel Kuhl (Gemarkung Vier, Bd. I, S. 131) und Kiesbarg (Gemarkung Goldenbow, Bd. III, S. 69) Angaben über die Bodenbeschaffenheit, Benennungen wie Dreiangel (Gemarkung Groß Bengerstorf, Bd. II, S. 59) oder Hals (Gemarkung Dammereez, Bd. II, S. 121) beschreiben metaphorisch die Form der Flurstücke. Auf wildlebende Tiere bezieht sich der mehrfach vorkommende Name Vossberg (bspw. Gemarkung Gresse, Bd. II, S. 158) ebenso wie Komposita mit Rabe- oder Wolf- (u.a. Rabenhorst [ebd.], Wolfshagen [ebd., S. 159]).

Auf das dörfliche Zusammenleben verweisen u.a. Berufsnamen wie Färbergraben (Stadt Boizenburg, Bd. I, S. 91), Nachtwächterkiel (Gemarkung Gothmann, Bd. I, S. 102), Häbammswisch (Gemarkung Besitz, Bd. II, S. 90, zudem Gemarkung Gothmann, Bd. I, S. 104), Holländerwisch (Gemarkung Dammereez, Bd. II, S. 121) und Schulzen-Dienst-Ländereien (Gemarkung Valluhn, Bd. IV, S. 160). Zum Deputat der Totenfrau, die die Leichen einkleidete, gehörte die Dodenwisch (Gemarkung Gothmann, Bd. I, S. 105). Der Schinder, in der örtlichen Mundart Schinner, fand den Ort zum Vergraben der Kadaver in der Schinnerkuhl (Gemarkung Valluhn, Bd. IV, S. 161); armen Menschen wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Unterkünfte mit etwas Land zur Verfügung gestellt – das Flurstück, auf dem sich die Bauten befanden, wurde Armenkaten genannt (Gemarkung Gothmann, Bd. I, S. 101).

Auf bauliche Anlagen verweisen Namen wie Fabrik oder Kalkofen (Gemarkung Leisterförde-Bürgerhof, Bd. I, S. 174) sowie zahlreiche Benennungen mit dem Grundwort Schleuse wie Kugels Schlüse, De Schalefordes Sluse oder Gaffenschleuse und De Hoge Sluse (Gemarkung Kogel, Bd. IV, S. 64).

Das Leben ethnischer Minderheiten bzw. von diesen genutzte Grundstücke wurden ebenfalls in den Namen thematisiert: Judenbrüüg (Gemarkung Klein Bengerstorf, Bd. II, S. 74), Judengang (Gemarkung Wittenburg, Bd. V, S. 35), Wendholz (Gemarkung Düssin, Bd. II, S. 139 – vermuteter Bezug zur slawischen Bevölkerung) oder Taterkamp (Gemarkung Bennin, Bd. III, S. 51). Außerdem kommen verschiedene Nationalitätsbezeichnungen oder Bennungen von Ländern und Erdteilen vor wie Franzosenkopp (Gemarkung Beckendorf, Bd. II, S. 45), Krim (Gemarkung Klein Bengerstorf, Bd. II, S. 69 – Bezug zu einer inselartigen Lage), Amerika (Gemarkung Klein Bengerstorf, Bd. II, S. 71) und Russland (Gemarkung Greven, Bd. II, S. 166).

Aus sprachwissenschaftlicher Sicht sind vor allem die niederdeutschen Namen spannend, die in dieser und ähnlicher Form im gesamten Gebiet nördlich der Benrather Linie vorkommen und i.d.R. Entsprechungen im Hochdeutschen haben. Typische niederdeutsche Bestandteile sind bspw. Twiete, -beke/-beck, -wisch, achtern, groot und lütt. Andere Namen wiederum sind slawischer Herkunft – sie finden sich auch in anderen ehemals von Slawen besiedelten Gebieten im deutschen Sprachraum. Einzelne Orte wie Besitz enthalten besonders viele slawische Namen. Greve schlussfolgert daraus, dass dieser „abgelegene von Sümpfen umgebene Ort ein Rückzugsgebiet der Slawen bei der deutschen Besiedlung des Territoriums war.“ (Bd. II, S. 80)

Auf die jüngere Geschichte, Umsiedlungen und Umstrukturierungen des Landes lassen insbesondere Verwaltungsnamen Rückschlüsse zu, die nach dem II. Weltkrieg vergeben wurden. Beispiele sind Der graue Weg (Gemarkung Bandekow, Bd. II, S. 36), der aufgrund der Befestigung des Weges mit Schlacke aus den Fliesenwerken in Boizenburg so benannt worden sein soll, oder Nördlich und Südlich der Eisenbahn (Gemarkung Blücher, Bd. II, S. 96).

Greve hat – wo möglich – auch zahlreiche Sagen und Anekdoten zum Ursprung der Namen zusammengetragen und kurz zusammengefasst. So erfährt man, dass im Düwelshörnslag und Hell Busch (Gemarkung Badekow, Bd. II, S. 33) der Teufel sein Unwesen getrieben haben soll, ebenso am Hellberg in Greven (Gemarkung Greven, Bd. II, S. 164). De kool‘ Grund (Gemarkung Groß Bengerstorf, Bd. II, S. 54) war wohl ein Rückzugsort mit einer Höhle, in welcher Wilderer ihre Beute frisch hielten, und am Strittkamm (Gemarkung Klein Bengerstorf, Bd. II, S. 61) sollen sich zwei Nonnen um einen goldenen Kamm gestritten haben.

Dass Dieter Greve eine solch umfangreiche Dokumentation der Flurnamenlandschaft Westmecklenburgs vorlegt, ist nicht selbstverständlich. Als Ingenieur und Agrarwissenschaftler ergab sich sein Bezug zu den Flurnamen insbesondere aus seiner Tätigkeit als Leiter des Katasteramts Schwerin. Sein Interesse ist vor allem im Vermessungswesen und der Geoinformatik begründet, wozu er auch einschlägig publiziert hat (Greve 2024). Dieses 1997 erstmalig erschienene und 2024 neu aufgelegte Buch gilt als wichtige Referenz, wenn es um die Entwicklung des Vermessungswesens in Mecklenburg-Vorpommern geht.

Besonders hervorzuheben ist die umfangreiche Materialsammlung, die der Autor erarbeitet hat. So hat er Direktorial-, Landesvermessungs- und lokale Flurkarten ausgewertet und in jedem Ort Gewährspersonen befragt, die ihm Auskunft über die mundartliche Form der Namen, die Nutzung der Flurstücke und Sagen zu deren Herkunft gegeben haben. Da Greve selbst Mundartsprecher ist, kennt er sich mit der Platt-Variante im Westen Mecklenburgs bestens aus. Dass der Aufbau der Namenbücher stets gleich ist, erleichtert die Arbeit mit ihnen; das Register ermöglicht ein schnelles Nachschlagen. Jeweils ein Messtischblatt pro Gemarkung verdeutlicht für die ortsunkundige Leserschaft die Lage der benannten Flurstücke.

Namendeutungen schlägt Greve zwar vor, beruft sich dabei aber auf einschlägige Fachliteratur (u.a. Hermann-Winter [1985] zu niederdeutschen Namenbestandteilen oder Kühnel [1881, 1982] zu slawischen Orts- und Flurnamen) – ein kluges Vorgehen, da er nicht linguistisch ausgebildet ist. Dementsprechend treten sprachwissenschaftliche Aspekte in den Hintergrund und es handelt es sich um eine überwiegend historisch-inhaltliche Arbeit, die gerade deshalb die Grundlage für spätere linguistische Analysen bilden kann. Damit führt er die Arbeiten von Zühlsdorff (1988) zu Südwestmecklenburg für den westlichen Teil fort; er konnte dabei auch auf Vorarbeiten aus dessen Nachlass zurückgreifen. Einige der vorgeschlagenen Namendeutungen sind nicht auf dem aktuellsten wissenschaftlichen Stand, aber das ist bei einem Werk dieses Umfangs zu verschmerzen.

Fazit: Die besprochenen sechs Bände beschreiben die Flurnamenlandschaft des südlichen Westmecklenburg in vorbildlicher Weise. Sie verdeutlichen ein Lebensthema und die dahinterstehende Arbeit. Flurnamen sind wie so oft beklagt vom Vergessen bedroht; es ist eine „extreme Vereinfachung und Reduzierung“ (Bd. II, S. 103) dieser Benennungen zu verzeichnen, weshalb das Verdienst Greves bei einer Erhebung dieses Umfangs besonders hervorzuheben ist. Auch über die Grenzen des Untersuchungsgebiets hinaus kann die Lektüre gewinnbringend sein, sind doch überall im Norden des deutschen Sprachraums vergleichbare niederdeutsche Flurnamen zu finden oder in den ehemals slawisch besiedelten Gebieten entsprechendes sprachliches Material. Die Sammlung verdeutlicht den hohen Aussagewert, den Flurnamen über die frühere Besiedlung, Nutzungsformen, Bewuchs oder Bräuche haben, lässt zugleich aber noch Raum für weitere sprach- und kulturwissenschaftliche Analysen.

Wünschenswert wäre ein noch gründlicheres Korrektorat gewesen, leider hat sich der eine oder andere Tippfehler eingeschlichen. Erfreulich ist, dass Greve seinen Bestand in elektronischer Form an das Digitale Flurnamenverzeichnis Mecklenburgs (https://www.ortschroniken-mv.de/index.php/Flurnamen, letzter Abruf: 11.09.2025) übergeben hat, so dass er in naher Zukunft auch dort einseh- und durchsuchbar sein wird – ein wichtiger Schritt, um auch die Flurnamen Westmecklenburgs stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und für Wissenschaft und interessierte Öffentlichkeit barrierearm zur Verfügung zu stellen.

Literatur

Greve, Dieter (2024): Ruthen, Hufen und Erben. Vermessung und Kataster in Mecklenburg, Schwerin (https://www.laiv-mv.de/Geoinformation/Blickpunkte/Ruthen_Hufen_Erben, letzter Abruf: 11.09.2025).

Hermann-Winter, Renate (1985): Kleines plattdeutsches Wörterbuch für den mecklenburgisch-vorpommerschen Sprachraum, Rostock.

Kühnel, Paul (1881): Die slavischen Ortsnamen in Meklenburg, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 46/1881, 3–168.

Kühnel, Paul (1982): Die slavischen Orts- und Flurnamen im Lüneburgischen, Leipzig (Nachdruck).

Zühlsdorff, Werner (1988): Flurnamenatlas von Südwestmecklenburg. Raum Parchim / Neustadt-Glewe / Hagenow, Berlin.