Aufgabe dieses Beitrages ist es, beide Namen zu erklären und herauszufinden, was sie miteinander gemeinsam haben. Um es kurz vorwegzunehmen: beiden liegt dieselbe urslaw. Wurzel *pǫt- zu Grunde.
Der auch in Deutschland vorkommende Familienname Putin ist weltweit bekannt als Name des Präsidenten der Russischen Föderation Vladimir Vladimirovič Putin (*1952). Er hat aber nichts mit dem russischen Wort put´ ʻWegʼ zu tun, wie man vielleicht auf den ersten Blick meinen möchte. Putin erklärt sich vielmehr aus dem Rufnamen Puta, versehen mit dem Suffix -in, also ʻSohn des Putaʼ. Puta ist eine Kurzform von Putislav oder ähnlichen Vollnamen. Das Vorderglied von Putislav, so im Serbokroatischen überliefert, im Poln. als Pęcisław, führte man bisher auf urslaw. *pǫtь ʻWegʼ zurück, zuletzt durch Kazimierz Rymut (Rymut 2003: 63). Vergleicht man die in seiner Liste slawischer Vollnamen aufgeführten urslaw. Wurzeln der Vorder- und Hinterglieder in Bezug auf ihre Bedeutung, so fällt *pǫtь ʻWegʼ aus der Reihe. Die Bedeutung Weg gibt auf dem semantischen Hintergrund der übrigen Vollnamen keinen rechten Sinn. Viel näher liegt die Verbindung mit dem urslaw. Verb *pǫtati bzw. *pǫtiti, aus dem russ. putat´ ʻverwirren, Fesseln anlegenʼ, tschech. poutat ʻfesselnʼ, poln. pętać ʻfesseln, binden, jem. störenʼ, serbokroat. pȕtiti ʻungeschickt arbeitenʼ, hervorgingen. Urslaw. *pǫtati ist abgeleitet von *pǫto, daraus russ. puto ʻFesselʼ (Vasmer 1953-1958: II 468 f.).
Von Putislav, Putimir und ähnlichen Vollnamen wurden zahlreiche Kurzformen gebildet, so russ. 1500 Putilo, 1564 Putka, 1552 Putъ, 1097 Putjata, 1498 Putjatinъ und weitere. Darunter befindet sich auch der Zuname 1649 Putimecъ, auf den bei der Erklärung des Ortsnamens Pinten zurückzukommen ist (Tupikov 1989: 326 f.). Von poln. Pęcisław mit dem Vorderglied aus pętać sind Pęta, Pętak, 1411 Pętosz und weitere abgeleitet (Rymut 1999-2001: II 228). Alttschech. Púta wird nicht erklärt (Svoboda 1964: 126). Zu serbokroat. Putislav gibt es solche Kurzformen wie Putina, Putinac und andere (Grković 1986: 153).
Für Pinten, den Namen eines wüst gewordenen Dorfes östl. Merseburg, wurden zwei mögliche Erklärungen vorgeschlagen. Aus den Belegen 1269 de Punteme, in Puntyme, 1270 Puntyme, 1698 die Pinten-Mark erschloß man 1. aso. *Pǫtiḿ mit dem Personennamen *Pǫtim, angeblich ein Part. Präs. Pass. von pǫtiti ʻfesselnʼ. Eine Entsprechung zu *putiti, *putati, daraus serbokroat. putiti ʻungeschickt arbeitenʼ, sei aber fraglich. 2. Pinten leite sich eher von *putiti, serbokroat. putiti ʻsich auf den Weg begebenʼ, ab, das auf puť ʻWegʼ, urslaw. *pǫtь zurückgeht. Dann könne man mit *Pǫtim als Bezeichnung für einen Übergang über die Luppe rechnen (Eichler 1985-2009: III 72). Eindeutig vorzuziehen ist urslaw. *Pǫtiḿ < *Pǫtimjь ʻSiedlung des Pǫtimъʼ, mit *Pǫtimъ als Kurzform von *Pǫtimirъ, später Putimir. Bei diesem Kürzungsvorgang eines Vollnamens fällt ein Teil des Hintergliedes ab. Ein Parallelbeispiel bildet Radom aus Radomir, enthalten z. B. im nso. OrtsN Raden, 1591 Radom, aso. *Radoḿ ʻSiedlung des Radomʼ (Svoboda 1964: 108 f.; Wenzel 2006: 93, 135). Putim ist in dem schon oben erwähnten russ. Zunamen Putimecъ enthalten.
Der OrtsN Pinten ist sowohl für die westslaw. Sprachgeschichte als auch die Siedlungsgeschichte von Bedeutung: 1. Pinten gehört zu den wenigen Beispielen im altsorb. Sprachraum, in denen sich der urslaw. Nasalvokal ǫ noch widerspiegelt, der im 10. Jh. in den oralen Vokal u überging, wie er typisch für das Altsorb. und einige andere slaw. Einzelsprachen ist. Ernst Eichler stellte die betreffenden und ihm damals bekannten Namen alle zusammen und verzeichnete sie auf einer Karte (Eichler 1965: 51-56). 2. Da der OrtsN Pinten in tschech. Putím eine genaue Entsprechung hat, kann er zusammen mit vielen anderen als Beweis für die Einwanderung der im Raum zwischen Elbe und Saale seit dem Anfang des 7. Jh. siedelnden Slawen aus Böhmen gelten (Wenzel 2017: 349-357). In Böhmen gibt es übrigens noch weitere OrtsN gleichen Ursprungs wie Pinten, darunter Putice, Putimov und Putkov. Man leitete allerdings die zugrundeliegenden Personennamen Put oder Puta, Putim und Putek alle von urslaw. *pǫtь, altschech. pút ʻWegʼ ab, was sicherlich nicht zutrifft.
Literatur:
Eichler, Ernst (1965): Studien zur Frühgeschichte slawischer Mundarten zwischen Saale und Neiße, Berlin.
Eichler, Ernst (1985-2009): Slawische Ortsnamen zwischen Saale und Neiße. Ein Kompendium, Bde. I-IV, Bautzen.
Grković, Milica (1986): Rečnik imena Bańskog, Dečanskog i Prizrenskog vlastelinstva u XIV veku, Beograd.
Rymut, Kazimierz (1999-2001): Nazwiska Polaków, Kraków.
Rymut, Kazimierz (2003): Szkice onomastyczne i historycznojęzykowe, Kraków.
Svoboda, Jan (1964): Staročeská osobní jména a naše příjmení, Praha.
Tupikov, Nikolaj Michajlovič (1989): Slovar´ drevnerusskich ličnych sobstvernnych imen. Mit einem Vorwort von Ernst Eichler, Leipzig.
Vasmer, Max (1953-1958): Russisches etymologisches Wörterbuch, Bde. I-III, Heidelberg.
Wenzel, Walter (2006): Niederlausitzer Ortsnamenbuch, Bautzen.
Wenzel, Walter (2017): Die Einwanderung der Slawen in den Elbe-Saale-Raum im Licht der Namen, in: Felix Biermann, Thomas Kersting und Anne Klammt, Religion und Gesellschaft im nördlichen westslawischen Raum, Langenweißbach.
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