Dieser "onomastische Herbst" war gekennzeichnet durch drei Tagungen, die den literarischen Namen gewidmet waren oder bei denen sie, wie in der Leipziger Tagung, eine wichtige Rolle spielten:

I: Universität Augsburg in Zusammenarbeit mit der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg:

9. Tagung des Arbeitskreises für bayerisch-österreichische Namenforschung am 22./23. September 2016: Namen in Dichtung und literarischer Prosa

Die Tagung fand statt unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Wolf, Ordinarius für Deutsche Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit mit dem Schwerpunkt Bayern (Augsburg), Dr. Wolf-Armin Frhr. von Reitzenstein, Ordentl. Mitglied der Kommission für bayerische Landesgeschichte an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München, und Dr. Reinhard Laube, Bibliotheksdirektor der Staats-und Stadtbibliothek Augsburg. Gemäß der Zielsetzung des Arbeitskreises für bayerisch-österreichische Namenforschung (ABÖN) sollten sich die Beiträge der Tagung auf die bayerisch-österreichische Literatur konzentrieren, was auch eingehalten wurde.Die Vorträge waren trotz der geografischen Eingrenzung sehr abwechslungsreich und ergiebig. Behandelt wurden Namen im Kontext der Textgrammatik (Albrecht Greule), literarische Namen in historischer Perspektive (Friedhelm Debus), der literarische Name zwischen Ambivalenz, Ambiguität und Ironie (Volker Kohlheim), oberdeutsche Namen in der altnordischen Kosmographie (Kirsten Casemir), des weiteren Namen bei Eobanus Hessus (Dorothea Fastnacht), Hildegard von Bingen (Volker Schimpff), Hugo von Montfort (Klaus Amann), im Prosaepos "Herzog Herpin" (Lina Herz), Personennamen in Passionsspielen (Klaus Wolf), in Aventins Chronik (Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein), in österreichischen Reisebeschreibungen (Karl Hohensinner), bei Nestroy (Peter Ernst), in Alfred Kubins Roman "Die andere Seite" (Franz Fromholzer), bei Alois Hotschnig (Stephanie Waldow), bei B. Brecht (Jürgen Hillesheim) und Ludwig Thoma (Armin Höfer).Sehr bereichert wurde die Tagung durch einen öffentlichen Abendvortrag, den der renommierte Thomas-Mann-Spezialist Prof. Dr. Dr. h. c. Helmut Koopmann über Namen im Werk Thomas Manns hielt. Die vielfältige Namenwelt des "großen Namenzauberers" Thomas Mann wurde hier, stilistisch brillant und zugleich informativ, dem zahlreich erschienenen Publikum vermittelt. Sämtliche Vorträge einschließlich des Abendvortrags sollen im nächsten Heft der Blätter für oberdeutsche Namenforschung (BONF 53, 2016) veröffentlicht werden

II. Deutsche Gesellschaft für Namenforschung und Namenkundliches Zentrum der Universität Leipzig:

Namen und Übersetzung, Kolloquium am 8. Oktober 2016 Bei diesem Kolloquium, das unter der Leitung von Prof. Dr. Dieter Kremer stattfand, kamen literarische Namen in folgenden Beiträgen zur Sprache: ·
  • Dietlind Kremer: Eigennamen in der Übersetzung. Eine Einführung in das Thema
  • Rosa und Volker Kohlheim: Dreieinhalb Jahrhunderte Don Quijote deutsch: die Eigennamen in der Übersetzung
  • Rosemarie Gläser: Der Gebrauch von Namen in Victor Klemperers LTI, Notizbuch eines Philologen (1947) und die englische Übersetzung von Martin Brady, LTI, The Language of the Third Reich (2000)
  • Stanislava Gálová: Verfahren der Wiedergabe von Eigennamen im Sprachenpaar Deutsch-Slowakisch am Beispiel von literarischen Texten
  • Francesca Boarini: Zur Übersetzung der Eigennamen in der Kinder- und Jugendliteratur

Die übrigen zwei Beispiele behandelten Fragen des Übersetzens von Toponymen am Beispiel des Sprachenpaares Deutsch-Ungarisch (Anikó Szilágyi-Kósa) und die zweisprachige Mikrotoponymie von Freiburg im Üchtland/Fribourg en Suisse (Jean-Pierre Anderegg).

Alle Vorträge werden in den Namenkundlichen Informationen 107/108 (2016) abgedruckt [in Vorbereitung].

III. XXI Convegno dell'Associazione di Onomastica e Letteratura in Pisa, 26.-29. Oktober 2016

Als letzte der der literarischen Onomastik gewidmeten Tagungen fand der alljährliche Kongress der italienischen Gesellschaft für Literarische Onomastik Onomastica e Letteratura statt, dieses Jahr in Palermo. Schon die feierliche Eröffnung im Marionettenmuseum führte die Teilnehmer, die teilweise von weither angereist waren, in die besondere Atmosphäre dieser mit Kultur- und Kunstdenkmälern reich versehenen, gastfreundlichen Stadt ein. An den drei weiteren Tagen traf man sich dann in einem Vorlesungsgebäude der Universität. Verantwortlich für den Kongress waren Prof. Dr. Maria Giovanna Arcamone (Universität Pisa) als Präsidentin der Gesellschaft Onomastica & Letteratura, Prof. Dr. Davide De Camilli (Universität Pisa) als Vizepräsident dieser Gesellschaft und Prof. Dr. Marina Castiglione (Universität Palermo). Die zahlreichen Vorträge (43 Referenten) verteilten sich auf fünf unterschiedliche Themenkreise; ein sechster Block galt der Vorstellung von Neuerscheinungen zur literarischen Onomastik:

1. "Der Name in der sizilianischen Literatur".

Hier hielten nicht nur Wissenschaftler Referate, sondern es sprachen auch zwei bekannte sizilianische Schriftstellerinnen darüber, wie sie Namen in ihren Werken vergeben: Stefania Grasso und Evelina Santangelo.

2. "Literarischer Name und Wahnsinn"

3. "Der Name bei Shakespeare"

4. "Literarische Namen, die aus Chroniken, der Geschichte, der Wirklichkeit übernommen wurden"

5. "Der Name in der fantastischen Literatur"

6. Neue Publikationen: Folgende italienische Neuerscheinungen wurden vorgestellt:

  • Giusi Baldissone: L'opera al carbonio. Il sistema dei nomi nella scrittura di Primo Levi. Milano: Franco Angeli 2016 
  • Maria Giovanna Arcamone, Simone Pisano (Hrsg.): La Nominatio in Grazia Deledda e in Carlo Cassola: Prove di ricerca. Pisa: Edizioni ETS 2016
  • Leonardo Terrusi: L'onomastica letteraria in Italia dal 2006 al 2015. Repertorio e bilancio critico-bibliografico. Pisa: Edizioni ETS 2016, 192 Seiten

Diese Bibliografie setzt die Vorgängerbibliografie von Bruno Porcelli und Leonardo Terrusi fort: L'onomastica letteraria in Italia dal 1980 al 2005. Repertorio bibliografico con abstracts. Pisa: Edizioni ETS 2006. Onomastik, gleich, in welcher Sprache, sowie im Ausland erschienene Beiträge italienischer Autoren. Dem Hauptteil der neuen Bibliografie geht eine ausführliche kritische Einleitung voraus. Die Bibliografie ist folgendermaßen gegliedert:

  1. Klassische Literatur
  2. Mittelalterliche Literatur
  3. Moderne fremdsprachliche Literaturen
  4. Italienische Literatur
  5. Generelle Studien: Methodologisches, Name und Übersetzung, übergreifende Themen, Namen im Film, in Comics, in der Musik, historische, linguistische und folkloristische Untersuchungen

Schließlich konnte in gewohnter Pünktlichkeit der neue, 18. Band der Zeitschrift il Nome nel testo vorgestellt werden. Die Redaktion lag dieses Mal in den Händen von Donatella Bremer und Simona Leonardi. Der umfangreiche Band (322 Seiten) enthält die auf der XX. Internationalen Konferenz zur Literarischen Onomastik in Pisa (12.-14. November 2015) gehaltenen Vorträge und gliedert sich in sechs Teile:

  1. Der Name im künstlerischen Kontext (6 Beiträge)
  2. Der Name bei Dante (1 Beitrag)
  3. Krieg, Literatur und Zeugenschaft (3 Beiträge)
  4. Die Rezeption des literarischen Namens (8 Beiträge)
  5. Der inadäquate literarische Name (3 Beiträge)

Drei weitere Beiträge Den sämtlich in italienischer Sprache verfassten Aufsätzen ist jeweils ein englisches Resümee vorangestellt.

Die Tagung hatte zwar den thematischen Schwerpunkt in der Onymik der sizilianischen Literatur, zeigte aber zugleich die in Italien so lebendige literarische Onomastik. Gewiss verdankt sie ihr reges Leben in diesem Land der Gesellschaft O&L (Onomastica e Letteratura), geleitet von Maria Giovanna Arcamone, Davide De Camilli, Luigi Surdich, Donatella Bremer und Giorgio Sale (in Zusammenarbeit mit Marco Bardini, Simona Leonardi, Matteo Milani, Maria Serena Mirto, Leonardo Terrusi). Die nächste Tagung wird voraussichtlich im November 2017 stattfinden, im gewohnten Turnus wieder in Pisa. Genauere Auskünfte sind ab Frühling 2017 von Ass. Prof. Dr. Donatella Bremer [donatella.bremer@unipi.it] zu erhalten.

Volker Kohlheim